Ein Teil der Physiotherapie – Was ist es und was hat es für einen Nutzen?
Was bedeutet denn eigentlich Blood Flow Restriction Training?
Wörtlich übersetzt bedeutet Blood Flow Restriction (BFR) “Blutflusseinschränkungstraining”. Man schränkt mit einer Manschette, ähnlich einer Blutdruckmanschette, den Blutfluss in und aus einer Extremität kontrolliert ein. Während man diese Manschette trägt, übt man auf verschiedene Art und Weise mit dem eigenen Körper oder mit zusätzlichen Geräten. Das interessante ist, dass man nur leichte Gewichte benötigt und trotzdem nachgewiesene Effekte erzielt, die dem Training mit sehr schweren Gewichten gleichkommen oder sogar bessere Ergebnisse erreichen.
Was man ebenso oft liest, ist der Begriff Okklusionstraining. Mit Okklusionstraining meint man zwar dasselbe, allerdings verbirgt sich hier ein erster Fehler der zu Missverständnissen führen kann.
Der Blutfluss wird nicht komplett unterbunden!
Beim BFR Training wird die Blutzirkulation in eine Extremität, also den Arm oder ein Bein, nicht komplett unterbunden sondern kontrolliert eingeschränkt. Meistens wird dabei zwar der venöse Rückstrom komplett unterbunden, aber der arterielle Zufluss bleibt immer bestehen und läuft selbstverständlich weiter.
Hier liegt ein großer Unterschied in der Anwendung von BFR Training im Bodybuildingbereich zu der klinischen Anwendung zur Rehabilitation. Im Bodybuildingbereich wird sehr oft hochriskant mit einem Druck gearbeitet, der den Blutstrom fast gänzlich unterbindet.
Das heisst 100% LOP (Limb Occlusion Pressure=Extremitätenverschlussdruck). In der Physiotherapie kommen maximal LOP – Drücke von 80% zum Einsatz und dies nur bei Personen die schon sehr weit im Rehaprozess fortgeschritten sind. Häufig hält man sich bei Drücken um die 50 – 60% auf. Sogar 40% hatten in Studien bereits einen Effekt.
Zur Sicherheit des kontrollierten BFR Trainings lesen Sie aber später noch mehr.
Wie “neuartig” ist diese Trainingsmethode?
Bereits 1966 entwickelte Dr. Yoshiaki Sato in Japan die sogenannte KAATSU – Methode. Dies war und ist eine Übungs- und Rehabilitationsmodalität, bei der Widerstandsübungen, Aerobic-Übungen oder physikalische Therapiebewegungen durchgeführt werden, während eine BFR- Manschette am proximalen Aspekt, das bedeutet am Beginn einer Extremität angelegt wird. Also eben genau die Art der Anwendung wie sie heute im BFR Training verwendet wird.
Im Alter von 18 Jahren, als Yoshiaki Sato in seiner Heimat Japan an einer buddhistischen Zeremonie teilnahm, wurden seine Beine taub, als er in der traditionellen japanischen Haltung auf dem Boden saß. Er konnte den Schmerz kaum mehr ertragen, seine Beine waren unter ihm gebeugt. Aus Verzweiflung begann er, seine Waden zu massieren, um die Beschwerden während der langen Zeremonie zu lindern. Er bemerkte, dass seine Durchblutung in seinen Waden blockiert war, als er direkt auf seinen Füßen saß. Dies waren laut Erzählungen die ersten Ideengeber für die Entwicklung des BFR Trainings.
In den nächsten 7 Jahren experimentierte er an sich selbst, indem er verschiedene Fahrradschläuche, -seile und -bänder mit unterschiedlichem Druck auf verschiedene Körperteile anlegte. Er verfolgte methodisch, welche Art von Bändern und Drücke funktionierten und welche Experimente nicht funktionierten. Mit jahrelangem, detailliertem Versuch und Irrtum entwickelte Sato nach und nach effektive Protokolle, um den Blutfluss in seinen Gliedmaßen sicher zu verändern. 1973, im Alter von 25 Jahren, entwickelte Sato die Details von Kaatsu, wie es derzeit praktiziert wird. Damals brach er sich bei einem Skiausflug den Knöchel und verletzte sich die Bänder um sein Knie. Die Verletzungen wurden diagnostiziert und die Ärzte sagten Sato, dass die Heilung sechs Monate dauern würde.
Trotz einem Gips am Bein rehabilitierte sich Sato mit Kaatsu-Bändern am Oberschenkel. Er übte wiederholt mit BFR Manschetten während er isometrische Übungen 30 Sekunden lang und dreimal täglich einige Minuten lang ausführte. Die Ergebnisse seiner Behandlung schockierten angeblich seinen Arzt, denn seine Muskeln waren nicht wie erwartet atrophiert, so dass er sich relativ schnell und schneller als erwartet erholen konnte.
Zwischen 1973 und 1982 führte Sato das Kaatsu-Training weiter mit Patienten durch und entwickelte Protokolle, die für Menschen jeden Alters und mit verschiedenen Arten von Beschwerden am besten funktionierten.
Was passiert nun eigentlich beim BFR Training?
Beim regulären körperlichen Training entstehen im Muskel sogenannte Metaboliten, also Stoffe die durch Training im Körper entstehen. Diese ermüden unter anderem die Muskeln, wodurch der Muskel nach und nach gezwungen wird, härter zu arbeiten, als er normalerweise müsste, um Kontraktionen zu erzeugen. Sehr wichtig zu wissen ist hierbei, dass man beim BFR Training nur sehr leichte Gewichte verwendet, die 20-30% der maximal möglichen Gewichtsbelastung betragen sollen. Die zusätzliche Anstrengung, die zusammen mit der Einschränkung des Blutflusses entsteht, beschleunigt beispielsweise einige Prozesse des Muskelaufbaus und erhöht – so momentan der Stand der Wissenschaft – auch effektiv die Kraft im Bein oder im Arm.
Laut dem Doktor für Physiotherapie DPT Nicholas Rolnick aus USA – einer der Vorreiter dieser Trainingsmethode heutzutage – bleiben Stoffwechselnebenprodukte „länger im Muskel stecken” und “können ihn nicht verlassen“, während die Manschette anliegt. Man spricht beim BFR Training von einem venösen Pooling. Das bedeutet das Blut wird verstärkt angereichert mit sehr vielen Substanzen die:
- Muskelaufbau begünstigen
- Muskelabbauende Prozesse hemmen
- Dem Körper auf neuronalem Weg signalisieren “Der Körper arbeitet absolut perfekt und 100%”
- Muskelabbau verlangsamen können
Diese Effekte können im Körper eine Situation herstellen, die hochintensivem Maximalkrafttraining gleichkommt, obwohl man nur 2kg Hanteln benutzt (Bspw.)
Dieses “aufgeladene Blut” verbleibt länger als ohne Manschette im Körperteil und im trainierten Muskel. Öffnet man nach der Trainingszeit die Manschette hat man wissenschaftlich beobachtet, dass sich das angereicherte Blut nicht nur in der “reduzierten” Extremität verstärkt im Muskel anreichert, sondern in allen Muskeln die bei der Übung verstärkt benutzt wurden. Patienten die mit BFR Manschetten Liegestützen durchführen bekommen bspw. auch im Brustbereich einen verstärkten Muskelkater, obwohl die Manschette bekanntlich am Arm anliegt.
https://www.youtube.com/embed/P9SfFB078gg?feature=oembedEinführungsvideo – Was ist BFR Training? licensed by thebfrpros
Wie sicher ist BFR Training?
Um diese Frage ganz kurz zu beantworten: “Bei vernünftiger Anwendung und Abwägung von Risikofaktoren ist BFR Training eine sehr sichere Methode um körperliche Leistung zu verbessern und sogar Schmerzzustände zu verbessern.”
Begründet sind selbstverständlich Fragen wie “Kann man durch BFR Training eine Thrombose bekommen?” “Kann es passieren, dass man durch BFR-Training Blutgerinnsel verursacht?”. Die folgenden Studien haben sich mit der Frage nach der Sicherheit des BFR Trainings befasst:
Es gibt noch weitere Studien zu diesem Thema, allerdings wurde in allen momentan verfügbaren Arbeiten herausgestellt, dass das Risiko gegenüber herkömmlichen Trainingsmethoden, also ohne BFR Manschetten, nicht erhöht ist.
Allerdings – und das ist der entscheidende Faktor – gilt dies nur wenn gründlich geprüft wird ob jemand für BFR Training geeignet ist oder nicht!
In unserer Praxis haben wir hierfür eine standardisierte Checkliste und einen zusätzlichen erweiterten Fragebogen den jeder Klient/Patient vor der ersten Anwendung ausfüllen und unterschreiben muss.
In verschiedenen Studien werden übliche gesundheitliche Risiken mit ihrer prozentualen Wahrscheinlichkeit durch BFR Training angegeben.
Ein Beispiel hierfür ist die Arbeit von Nakajima, in der folgende Resultate gefunden wurden:
Das Risiko für eine Rhabdomyolyse (Schädigung des Muskels durch Druck und Sauerstoffmangel) liegt bei 0,008%, das für eine Lungenembolie ebenso bei 0,008%. Das Risiko für einen Hirninfarkt bei ebenso 0,008%, für eine Venenthrombose bei 0,055%.
Nakajima, T., Kurano, M., Iida, H., Takano, H., Oonuma, H., & Morita, T. et al. (2006). Use and safety of KAATSU training:Results of a national survey. International Journal Of KAATSU Training Research, 2(1), 5-13.
Um zu gewährleisten dass der Druck verwendet wird, der unbedenklich ist, gibt es mehrere Möglichkeiten. Wir verwenden in unserer Praxis den aktuellen Goldstandard – die Doppler-Methode. Mit ihr kann der maximale Verschlussdruck (LOP) sicher und zuverlässig ermittelt werden. Anschliessend kann man mit diesem Wert die nötigen Therapieeinstellungen berechnen.
Die Doppler-Methode gilt als die sicherste Methode zur Bestimmung der individuellen Drücke. Sie ist unter anderem in folgender Studie untersucht worden:
Wie wird nun mit der BFR Methode therapiert und trainiert?
Es bietet sich an in 3 verschiedene Phasen oder Modalitäten der BFR Therapie zu unterscheiden:
- Zellschwellung in Ruheposition. Die passive Phase.
Hierbei wird die BFR-Manschette beispielsweise nach der Therapie angelegt um die Atrophie der Muskulatur zu bremsen. Dies kann sehr früh nach einer Operation oder einer Verletzung erfolgen.
2. Die aerobe Phase. Aktiv ohne externen Widerstand
In der zweiten Phase trägt man die Manschette beim Gehen oder Fahrradfahren im aeroben Bereich, also Training im Zustand absoluter Sauerstoffversorgung. Geschehen in der ersten Phase nur muskelerhaltende Effekte, beobachtet man hier schon eine grössere Zahl an Aufbau-Effekten. Folgendes passiert als Ergebnis der Aeroben Phase:
- Dezente Vergrösserungen des Muskelquerschnitts
- Leichter Kraftzuwachs bei dekonditionierten Menschen und untrainerten Personen
- Die maximale Sauerstoffkapazität des Körpers zeigt Verbesserungen
- Funktionelle Verbesserungen die zu positiven Veränderungen der Lebensqualität führen können
3. Die anaerobe Phase. Aktives Training gegen externe Widerstände im Low-Load Bereich.
Die letzte Phase wird im weiteren Fortschritt der Therapie angewendet. Hierfür sollte man die Reize des BFR Trainings bereits kennengelernt haben und mit der Anwendung vertraut sein.
Die Effekte die hierbei passieren sind:
- Starker metabolischer Stressreiz
- Muskelquerschnittszunahme
- Kraftzuwachs
Das Training gegen Widerstand mit BFR Manschetten kann durchaus schmerzhaft werden, da hierbei wie beim regulären Training Mikroverletzungen im Muskel gesetzt werden. Dies ist allerdings nicht mit einer Schädigung gleichzusetzen, da dieser Effekt beim normalen Krafttraining ebenso passiert. Wie allerdings schon erwähnt steigert das Training unter BFR Bedingungen allerdings die Reize und somit fallen die Reaktionen ebenso stärker aus.
Fazit:
Blood Flow Restriction Training ist ein Bereich der Physiotherapie der hier in Deutschland noch nicht sehr bekannt ist. Bisher fand die Anwendung hauptsächlich im Kraftsport statt.
Der große Vorteil liegt beim physiotherapeutischen BFR Training in der sicherheitsorientierten und individualisierten Anwendung in verschiedenen Modalitäten. Hierbei lassen sich bisher nicht zugängliche oder nur schwer erreichbare zusätzliche Ziele verfolgen und einige zusätzliche positive Effekte zur bestehenden Therapie verwirklichen.
Das A und O dieser Therapie ist das sorgfältige Abstimmen, ob BFR Training in Ihrem Fall sicher angewendet werden kann. Hierfür stehen wir als Ihre Profis bei Sporting Spine Regensburg bereit. Sprechen Sie uns einfach an und folgen Sie uns zu dieser neuen Trainingsmethode unter Instagram. Hierzu posten wir momentan immer wieder neue Posts unter folgendem Link. #bfrbysportingspine
Vielen Dank fürs Lesen! Ihr Thomas Nickl
2 Kommentare
Eine richtig tolle Sache. Mir hat das Bfr-Training bei Euch sehr geholfen! Danke!
Das BFR Training war mit abstand das Beste was ich für meine Schulter gemacht habe. Hätte ich mir schon früher gewünscht. Es war zwar anstrengend aber hat super geholfen! Habe mich super Betreut gefühlt!!!
Danke!